Wissenschaftliche Erkenntnisse können dazu beitragen, Krisen erfolgreich zu bewältigen und sich für künftige Herausforderungen zu rüsten. In den unterschiedlichsten Bereichen wurden in vergangenen Krisen bereits Erfahrungen gesammelt, aus denen neues Wissen generiert werden kann. Dies gilt insbesondere für Kernthemen der zivilen Sicherheit vom Krisenmanagement über Versorgungssicherheit und Risikokommunikation bis hin zur Simulation der Krise selbst.
Die Corona-Pandemie sowie jüngste Extremwetterlagen zeigten, wie essenziell koordiniertes (unternehmerisches) Krisenmanagement ist. Der Grundstein für dieses sind flexible, zeitnahe und angemessene Reaktionen auf veränderte (Krisen-) Lagen. Jedoch stellt die hierzu entscheidende fortwährende Anpassung für die Mehrzahl der beteiligten Akteure eine erhebliche Herausforderung dar. An dieser Stelle setzt AKRIMA, das Automatische Adaptive Krisenmonitoring und –managementsystem, an. Das AKRIMA-Projekt zielt auf eine Stärkung der Krisenresilienz von kritischen Infrastrukturen, Logistikketten und Behörden und Organisationen mit Sicherheits-aufgaben durch eine simulationsgestützte Verbesserung von Krisenreaktionsmechanismen (KRM). Besonders wichtig ist hierbei die enge Kooperation zwischen den verschiedenen Projektpartnern und der Zielgruppe aus der Praxis. Das übergeordnete Ziel des Systems ist es, die Entscheider zu befähigen, aus der Krise und vorausgegangen Erfahrungen zu lernen, um so in zukünftigen Krisen eine verbesserte Handlungsfähigkeit zu erreichen. Hierzu werden am Beispiel der Logistik von Schutzausrüstungen und -materialien extreme Krisenszenarien, wie Pandemien, Starkregen oder Dürre, betrachtet. Mit AKRIMA können Akteure die für das Krisenmonitoring und –management relevanten Informationen in einem Dashboard einsehen. Dabei können die zu erwartenden Konsequenzen möglicher Handlungsoptionen anhand der KI-basierten Simulation untersucht, bewertet und die Krisenreaktionsmechanismen zur Verbesserung der Resilienz optimiert werden. Hierdurch kann in akuten Krisenlagen frühzeitig reagiert und Logistikausfälle sowie Versorgungsengpässe können verhindert werden.
Zunächst soll ein grundlegendes, neuartiges Systemmodell konzipiert und umgesetzt werden, welches die reale Komplexität moderner Systeme möglichst einfach abbilden kann und die Grundlage der frühzeitigen Erkennung der Auslöser von Kaskadeneffekten bildet. Darauf aufbauend ist zu untersuchen, mit welchen Parametern betriebliche Prozesse generell sowie während einer Krise beschrieben und bewertet werden können. Dazu kommt die Untersuchung des Rahmens, in dem die identifizierten Prozessarchetypen in einer Krise beeinflussbar sowie zu verschiedenen Resilienz steigernden Reaktionen fähig sind. Im Anschluss ist ein Kennzahlenmodell zu entwerfen, welches diese Zustandsparameter sowie Indikatoren für Krisenlagen zu einem Logistics Resilience Score kombiniert. Ausgehend davon werden bestehende Krisenreaktionsmechanismen mittels KI-basierter Mustererkennung und Korrelationsanalysen evaluiert. Zudem werden diese Mechanismen durch agentenbasierte Simulation von Krisenszenarien sowie der systematischen Exploration möglicher Entwicklungen mittels Data Farming evaluiert. Auf Basis des Data Farmings erfolgt nun eine Evolution der Krisenreaktionsmaßnahmen. Zunächst sollen dabei Muster, welche zu ungewünschten Effekten von Krisenreaktionsmaßnahmen führen oder dessen Wirksamkeit verhindern können, erkannt und automatisiert Alternativvorschläge zur Verbesserung erarbeitet werden. Anschließend sollen die aktualisierten Maßnahmen in die Umsetzung gebracht und deren Wirksamkeit dokumentiert werden, sodass sie als Ausgangsdaten in die nächste Simulation eingehen können. Schlussendlich ist zudem die Darstellung der relevanten Informationen in einem leistungsfähigen Dashboard umzusetzen.
Eine Pandemie bezeichnet eine „neu“, aber zeitlich begrenzt in Erscheinung tretende, weltweite starke Ausbreitung einer Infektionskrankheit mit hohen Erkrankungszahlen (Infektionsraten von 50% und mehr), die in der Regel mit schweren Krankheitsverläufen einhergeht (RKI, 2015). Pandemien werden durch Bakterien, Viren, Parasiten oder Prionen verursacht, die meist auf eine Übertragung von Tieren auf Menschen zurückzuführen ist. Dabei ist der Infizierte in der Vergangenheit so gut wie gar nicht mit dem auslösenden Virus in Verbindung gekommen, weshalb es zu einer rasanten Ansteckungsgefahr kommt.
Der Bioterror beschreibt das absichtliche Verwenden von Mikroorganismen und Toxinen, im Allgemeinen mikrobiellen, pflanzlichen oder tierischen Ursprungs, um Krankheiten und Todesfälle bei Menschen, Nutztieren und Nutzpflanzen zu verursachen (DaSilva, 1999). Aktuell sind circa 200 mögliche Erreger bekannt, unter anderem Bakterien, Viren, Pilze und biologische Agenzien/Toxine, die jedoch durch Biotechnologie veränderbar sind. Bioterroristische Agenzien sind teils höchst kontagiös und besitzen meist haltbare Dauerformen wie „Sporen“. Das Eintreten von Bioterror findet plötzlich und ohne Vorwarnung statt, was dazu führt, dass die Ursachen schwer detektierbar sind und sich ihre Wirkung verzögert entwickelt.
Starkregen liegt dann vor, wenn großen Niederschlagsmengen in kurzer Zeit fallen. Solche Ereignisse haben lokal enormes Schadpotenzial, sind jedoch bezüglich Ausprägung und Ort schwer vorhersagbar, wodurch es nur sehr geringe Vorwarnzeiten gibt. Daraus resultierende Auswirkungen sind weit gestreut und reichen von der Beschädigung bzw. Zerstörung der Infrastruktur sowie Stromversorgung über die Verseuchung des Wassers durch Kläranlagen oder andere Chemikalien bis hin zu Toten und Verletzten.
Unter Dürre versteht man einen Mangel an Wasser, der durch weniger Niederschlag und gegebenenfalls ergänzend erhöhte Temperaturen als üblich herbeigeführt wird (dwd). Ursachen können mehrere Trockenjahre in Folge, seit dem Frühjahr durchgehendes trockenes und warmes Wetter oder auch zusätzliche Hitzewellen sein. Zu den Auswirkungen dieser Krise zählen unter anderem eine hohe Brandgefährdung, Lebensmittel- und Wasserknappheit sowie Niedrigwasser, was zu der Einschränkung der Binnenschifffahrt führen kann.
Gerade die letzten Jahre haben die Anfälligkeit für Krisen gezeigt, wobei die Folgen erst erkennbar werden, wenn es bereits zu spät ist. Durch die eingesetzte Simulation können diese Folgen jedoch vorher schon ohne Personaleinsatz oder Ressourcenverbrauch sichtbar gemacht werden. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, das Niveau der Vorbereitung auf eine Krise herauszustellen. Damit hier die bereits gesammelten Erfahrungen bei der Vorbereitung auf neue Krisen helfen, ist es nötig, das vorhandene (Praxis-)Wissen und „best practices“ aus allen Ebenen des Krisenmanagements realitätsnah zu dokumentieren und verfügbar zu machen. So kann aus bestehenden Prozessen, Abläufen und Strukturen gelernt und das erlangte Wissen in der Simulation angewendet werden. Die Teilnahme als assoziierter Partner bietet die Chance ein Teil dieser neuen Forschung und damit Vorreiter in der Künstlichen Intelligenz sowie Krisenprävention zu werden. So können nicht nur das eigene Wissen und die Erfahrung miteingebracht, sondern auch das Netzwerk vergrößert und die Zukunft des Krisenmanagements geprägt werden. Der Austausch der gesammelten Erfahrungen aus der unternehmerischen Praxis sowie der neuesten Erkenntnisse aus der Forschung sind ebenso bedeutend für das Projekt wie Einblicke in das unternehmensinterne Krisenmanagement.
Krisen werden zunehmend komplexer, Reaktionen müssen immer schneller und passgenauer werden. In AKRIMA wird ein innovativer, KI- basierter Ansatz für ein (teil-) automatisches, adaptives Krisenmonitoring und -management umgesetzt. Damit sollen Handlungsvorschläge generiert und die richtigen Informationen zur Verfügung gestellt werden, um Lieferketten zu stabilisieren. Sie erwarten ein proof of concept, tiefe Einblicke in den Forschungsprozess und spannende Impulse!